Samstag, Oktober 28, 2006

Masken

Der Eintritt in einen neuen sozialen Zirkel ist immer eine spannende Sache, vor allem wenn sich von den Mitgliedern der Gruppe vorher noch keiner gekannt hat. Beobachtet man aufmerksam diese erste Phase der Kontaktaufnahme, so erkennt man schnell wie wichtig uns die Masken sind, die wir tragen, und kommt ins Grübeln über ihre Funktion. An erster Stelle dienen sie uns zum Schutz unserer verletzlichen Seiten. Wir glauben besser gewappnet zu sein gegen mögliche Ausgrenzung oder Ablehnung, hoffen möglicherweise die unschönen Erlebnisse der Vergangenheit verbergen zu können und im Rahmen eines Neuanfangs die Fehler vermeiden zu können, die uns schon einmal in Situationen gebracht haben, die wir nicht noch einmal erleben wollen.
Das Problem mit unseren Masken ist allerdings, dass wir es nicht schaffen, sie auf lange Sicht aufrecht zu erhalten. Unser wahrer Kern liegt immer nahe unter der Oberfläche und lenkt unsere Bedürfnisse und Wünsche, oftmals ohne dass wir uns klar darüber bewusst sind. Es ist sehr anstrengend uns zu verstellen und ermüdend, uns beständig darüber auf dem Laufenden zu halten, ob unsere wirkliche Außenwirkung noch im Einklang steht mit unserer Vorstellung davon, wie sie aussehen soll. Die anfangs durchaus nützlich erscheinende Schutzfunktion unserer Masken wird zunehmend verdrängt vom Druck unser Gesicht zu wahren und weiterhin den Eindruck zu vermitteln, den wir anstreben - das Hilfsmittel wird zum Selbstläufer, aus der Krücke wird das Joch, das uns niederdrückt. Gerade darin liegt jedoch des Pudels Kern.
Unsere liebevoll gebastelten und gepflegten Masken haben die unangenehme Eigenart immer dann zu verrutschen, wenn wir es gar nicht gebrauchen können. Stress, Müdigkeit oder zu großes Vertrauen in unseren falschen Schutzpanzer machen uns unaufmerksam und die kleinste Unachtsamkeit schlägt unvermittelt eine Kerbe in den seelischen Harnisch und lässt unser inneres Ich hervorblicken. Bevor wir uns versehen, haben die Anderen es bemerkt und sich uns mit großer Überraschung zugewandt. Nun fühlen wir uns wie das sprichwörtliche Karnickel im Angesicht der Schlange. Die Scheinsicherheit unserer Vermummung ist dahin, Gedanken rasen durch den Kopf, in wie weit wir uns verraten und uns eine Blöße gegeben haben. In diesem Moment zeigt sich endlich wie wir wirklich gestrickt sind. Versuchen wir den Riss in unserer Rüstung durch weitere Vernebelung zu verdecken, gehen wir zum Gegenangriff über und versuchen wir so den Augenblick zu retten indem wir das Augenmerk auf die Schwächen der Anderen lenken oder lassen wir die unnütz gewordene Maske endlich fallen und zeigen uns ein wenig mehr, wie wir wirklich sind?
Warum tragen wir überhaupt unsere Masken, wenn wir auf lange Sicht doch nur Nachteile davon haben? Ich denke die Antwort liegt in einem unserer ursprünglichsten Gefühle überhaupt - der Angst. Der Angst davor in den Augen unserer Mitmenschen als unzulänglich dazustehen, ihren Respekt zu verlieren, nicht geliebt zu werden. Wir sehen zu spät, dass wir viele Chancen verspielen, echte Zuneigung und Respekt unserer Umwelt zu erlangen, wenn wir zu sehr versuchen sie zu blenden und uns dann in unserer Unehrlichkeit verrennen. Wir vergessen, dass wir alle nur Menschen sind und somit jeder von uns mit zahlreichen Schwächen und Unzulänglichkeiten versehen ist. Im Gegenzug schätzen wir unsere eigenen Stärken, Talente und Erkenntnisse zu gering ein, haben zu wenig Vertrauen darauf, von den Anderen respektiert und geliebt zu werden, obwohl wir unsere Macken und Schönheitsfehler haben.
Habt Mut zu euch selbst zu stehen.