Sonntag, Oktober 29, 2006

Es ist angerichtet!

Man nehme 14 Menschen beiderlei Geschlechts in ihren besten Jahren, stecke sie zusammen in einen Raum voller Computer, serviere ihnen jeden Tag einige Stunden Unterricht und Übungen und rühre kräftig um - fertig ist das opulente Zehn-Gänge-Menü.
So stellt sich derzeit die Situation in meinem Lehrgang dar. Drei Wochen sind ins Land gegangen und wir hatten Gelegenheit uns näher kennen zu lernen. Um bei meinem kulinarischen Bild zu bleiben, könnte man sagen, dass wir gerade dabei sind vom Aperitif zur Suppe zu schreiten - und dass sich die ersten bereits die Zunge verbrannt haben oder leichtes Leibgrimmen verspüren.
Nachdem sich jeder im Restaurant eingiebig umgesehen und die anderen Gäste beäugt hatte, suchte man sich seine Tischnachbarn und studierte eingehend die Tageskarte. Die angepriesenen Speisen waren dabei allerdings eher zweitrangig, vielmehr beschäftigte die Meisten der Gedanke mit wem man sein Mahl teilen würde und ob man sich bereits zu Beginn des Zusammentreffens bekleckern oder ungebührlich benehmen würde. Der Smalltalk ging weitgehend erfolgreich über die Bühne, endlich wurde der Aperitif gereicht.
Die Stimmung wurde lockerer, die Gespräche enthemmter und der Drink zeigte seine Wirkung. Über den Rand des Glases warf man sich weiterhin heimlich Blicke zu, das Gegenüber wurde aufmerksam studiert, die Gedanken wanderten mehr und mehr von der eigenen Person hin zu den anderen. Bei manchen wurden die Blicke bereits intensiver und beiderseits interessierter, während andere zu sehr in tiefschürfende Gespräche vertieft waren, um von ihrer Umwelt noch viel mit zu bekommen. Dem einen oder anderen schien das gelöste Treiben aber nicht recht zu munden. Die Serviette verdeckend vors Gesicht gehalten, begann das unvermeidliche Tuscheln. In die fröhliche Runde mischten sich die ersten Misstöne und manch unverhohlener Blick auf das Teller des anderen konnte erhascht werden. Langsam aber sicher wurde das Diner spannender, die Stimmung aufgeheizter.
Nun kommt die Suppe und es wird sich zeigen, ob sie so heiß gegessen wird, wie sie gekocht wurde. Über die ersten Löffel der Brühe hinweg wurde manchem jedenfalls schon ziemlich heiß. Inmitten des Klirrens von Gläsern und Klappern von Besteck sitze ich und beobachte interessiert meine Umwelt. Meine Serviette liegt noch gefaltet auf dem Tisch, ich musste sie bislang noch nicht verwenden, um eine Peinlichkeit zu überdecken, einen ungeschickten Fleck schnell aufzuwischen oder eine heimliche Spitze vor der Aufmerksamkeit meines Opfers zu verbergen. Mein erster Eindruck von den anderen Gästen hat sich in den meisten Fällen bestätigt, die eine oder andere erfreuliche wie negative Überraschung hat sich allerdings schon eingestellt. Mit selbstironischer Belustigung musste ich feststellen, dass ich nicht nur beobachte, sondern bereits mitten im Trubel meine Kreise ziehe und daran große Freude empfinde. Mit Genuss habe ich meinen ersten Drink genommen, meine Suppe ausgelöffelt und erwarte nun gespannt den nächsten Gang.
Ah, eine Fleischspeise! Von stiller Vorfreude ergriffen nehme ich mein erstes Messer zu Hand, betrachte kurz das Spiegelbild der anderen in der auf Hochglanz polierten Klinge und sehe darin bei einigen ein Leuchten in den Augen.
Hoffentlich wird nach dem großen Fressen auch ein Digestif gereicht...