Montag, Februar 05, 2007

Reduktion


Ich habe vor kurzem wieder mit etwas angefangen, was ich seit 14 Jahren nicht mehr getan habe. Früher habe ich oft gezeichnet und gemalt, aber über Studium und Arbeit hinweg fiel die Leidenschaft dem Alltag zum Opfer und so kam es, dass ich ewig nicht mehr zum Bleistift gegriffen habe. Schreiben , Recherchieren und Redigieren sind zwar Tätigkeiten, die mir Spaß machen, aber es fehlt ihnen eine wichtige Komponente – die Arbeit mit den Händen. Das Herumhacken auf einer Tastatur benötigt zwar den Einsatz der Hände, aber die immer gleichen Bewegungsabläufe ermüden ohne zu fordern und am Ende des Tages, wenn ich den Rechner herunter fahre, frage ich mich oft, was ich eigentlich den ganzen Tag über gemacht habe.

Langer Rede kurzer Sinn: letzte Woche ging ich in einen Schreibwarenladen und erwarb einen Skizzenblock und eine größere Anzahl von Bleistiften verschiedener Härtegrade. Meine anfänglichen Bemühungen, die Welt um mich herum in Grafit abzubilden, waren alles andere als ermutigend. Der Perfektionist in mir schrie kontinuierlich, dass alles Mist sei und ließ auch nicht das Argument gelten, dass ich mich seit der Schulzeit nicht mehr hinter einen Zeichenblock geklemmt hatte und folglich aus der Übung war. Ein anderer Teil von mir erwies sich aber als stärker als mein innerer Kritiker. Die bereits erwähnten Hände fanden großen Gefallen daran, mal wieder etwas zu tun zu haben. Natürlich konnte ich, trotz mangelnder Übung, nicht mit einfachen Formen und Objekten anfangen – es mussten schon Porträts sein. Gesichter zu zeichnen fiel mir schon damals schwer, im Besonderen stand ich schon immer mit Nasen auf Kriegsfuß.

Was ist eigentlich an den allseits vorhandenen Gesichtserkern so schwierig? Jeder hat einen, den eigenen hat man ständig vor den Augen, eigentlich sollte dieses Körperteil leicht zu zeichnen sein. Für den Ausdruck sind die Augen und die Lippen sehr wichtig, die Nase hat eigentlich bei der Mimik nicht viel zu tun. Wie wichtig sie aber für den Gesamtausdruck des Gesichtes ist, stellt man erst fest, wenn einem jedes Porträt misslingt, weil der abgebildete Riechkolben eher zu einem Elefanten passt oder hervorragend jeden Kartoffelsalat abrunden würde. Wie zu erwarten war, hatte sich mein Nasenproblem über die Jahre hinweg nicht in Luft aufgelöst. Voller Tatendrang machte ich mich an mein erstes Porträt seit dem Abitur und erstaunlicherweise übertraf das vorläufige Ergebnis meine eher geringen Erwartungen. Kinn, Augen, Wangen, Haare – alles gar nicht so schlecht. Bis ich mich gezwungen sah, den weißen Fleck in der Bildmitte füllen zu müssen.

Schnell löste sich die Zuversicht in den altbekannten Frust auf. Nach einer halben Stunde Zeichnen, Radieren, Zeichnen und wieder Radieren, war ich kurz davor, den Block in die Ecke zu schmeißen und mir stattdessen endlich Photoshop auch für Zuhause zu kaufen. Dann jedoch, kam mir ein Gedanke, der mir auch schon beim Schreiben oft geholfen hat.

„Das Entscheidende bei der Darstellung einer Person ist die Reduktion auf ihre besonderen Merkmale.“

Okay. Schauen wir mal, ob das vielleicht hilft. Ein paar Umrisslinien und mehrere Schattierungen später betrachtete ich das Ergebnis erneut und musste zugeben, dass ich schon schlechtere Nasen gesehen hatte. Es war zwar mehr eine angedeutete, als eine bis ins kleinste Detail gezeichnete Nase, aber so schlecht war sie gar nicht gelungen. So recht wollte ich dem Frieden noch nicht trauen. Ich machte mich gleich an ein weiteres Porträt und begann zum ersten mal in meinem Leben mit der Nase. Siehe da, jetzt ging zwar der Rest des Gesichts etwas in die Hose, die Nase aber war ein prächtiger Charakterzinken, der selbst Julius Cäsar gut gestanden hätte. So viel zu den besonderen Merkmalen...

Mittlerweile scheine ich mein Nasentrauma bewältigt zu haben. Meine Zeichnungen sind noch lange nicht so gut, wie ich sie haben möchte, aber ich werde besser und mit jeder neuen Skizze entdecke ich Techniken und Strichführungen wieder, die ich vor vielen Jahren schon einmal beherrscht habe. Auch wenn die technische Ausführung meiner Zeichnungen noch zu wünschen lässt, bin ich dennoch mit den Ergebnissen weitaus mehr zufrieden als noch zu Schulzeiten. Zum einen macht es meinen Händen große Freude wieder anzupacken, zum anderen fällt es mir leichter, die besonderen Merkmale der Menschen zu erkennen und herauszuarbeiten. Und auf die kommt es schließlich an.

Sonntag, Februar 04, 2007

Wintergedanken

Nein, ich bin noch nicht tot umgefallen. Die letzte Zeit war nur etwas stressig, da wir derzeit in unserem zweiten Projekt stecken – der Vorbereitung einer Pressekonferenz für Münchner Streetworker. Das nass-kalte Schmuddelwetter dieses „Winters“ fordert ebenfalls seinen Tribut. Die zweite Erkältung in diesem Jahr beglückt mich mit Triefnase, Brummschädel und Halsschmerzen. Leider ist mir im Moment nicht nach tief schürfenden Gedanken – ich bin schon ganz froh, wenn normale Gedanken den Weg durch meine Gehirnwindungen finden.

Ich vermisse die Winter meiner Kindheit. Klirrende Kälte, tiefer Schnee und das wohlige Aufatmen, wenn man von Draußen wieder in die Wärme kommt. Die eisige Luft, die deine Nasenflügel beim Einatmen hat zusammen kleben lassen, heiße Maroni auf die Hand und dann noch einen Glühwein hinterher. Schaue ich jetzt aus meinem Fenster, so sehe ich Blumen blühen und die Büsche knospen – am 4. Februar! Eine verrückte Welt.

Als Kind war ich im Winter die meiste Zeit draußen, habe Schneemänner gebaut und mir mit den anderen Nachbarskindern harte Schneeballschlachten geliefert. Was machen die Kinder von heute – Schlammcatchen?!? Ich weiß es nicht. „Früher war Alles besser!“ ist ein Satz, der mir nur selten über die Lippen kommt. Was aber diesen Winter angeht, so benutze ich ihn gerne: früher waren die Winter besser!

Was tut sich sonst noch?

Das Ende meiner Weiterbildung zum Online-Journalisten kommt unaufhaltsam näher. In gut zwei Monaten werde ich mein Zertifikat in Händen halten und mich wieder voll auf dem Arbeitsmarkt tummeln. Mitte der Woche hatte ich mein Bewerbungscoaching und musste mir endgültig eingestehen, dass ich ab April den Weg in die Selbstständigkeit wagen werde. Irgendwie muss ich mir wohl beweisen, dass ich es ganz auf eigene Faust packen kann. Als was, das wird sich noch erweisen. Momentan plane ich eine gemischte Tätigkeit im journalistischen Bereich und im Webdesign – außerdem muss ich einfach meinen ersten Roman schreiben. Ich bin schon sehr gespannt, ob es mir ähnlich gehen wird, wie zigtausend anderen hoffnungsvollen Jungautoren, die absolut von ihrem literarischen Schaffen überzeugt sind – leider aber das Pech haben, dass sie die Einzigen sind, die ihr literarisches Genie erkannt haben. Immerhin habe ich schon ein paar Veröffentlichungen zu Wege gebracht und habe eine Vorstellung davon, wie schwer es ist, seine eigenen Texte an den Mann zu bringen. Was soll's – auch Goethe, Schiller und Shakespeare haben mal klein angefangen. ;-)

Mein Gefühlsleben ähnelt ebenfalls dem vorherrschenden Wetter – irgendwo zwischen Winterkälte und Frühlingserwachen trudelt mein Innenleben durch die Gegend und fragt sich, wo es hin soll. Sechs ruhige Jahre als halbwegs glücklicher Single liegen hinter mir. Im Moment bin ich ein Single, der nicht recht weiß, ob er glücklich oder unglücklich ist. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass die ruhigen Jahre sich für's Erste eine Auszeit genommen haben...