Dienstag, März 27, 2007

Bücher und Begierde: die wesentlichen Dinge des Lebens


"Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt."
Johann Wolfgang von Goethe, Faust


Wenn man mal wieder in Leipzig war, dann muss man natürlich auch den guten, alten Faust zitieren, oder? Mit dem liebreizenden Fräulein B. an meiner Seite, hatte ich das Vergnügen die vier Tage der diesjährigen Leipziger Buchmesse mitnehmen zu dürfen. Im Gegenzug zu Frankfurt geht es auf der Leipziger Buchmesse etwas ruhiger und familiärer zu. Gerade am Wochenende strömen viele Besucher in die Messehallen, die keine beruflichen Gründe, sondern die reine Lust am Lesen auf die Veranstaltung führen. Zu Sehen, Hören und Riechen gab es auch dementsprechend viel. Gerade die kleineren Verlage, deren Bücher gerne mal übersehen werden, haben es mir angetan. Meine besondere Empfehlung in diesem Jahr: die Literarischen Reiseführer des Verlags „Jena 1800“. Die schön aufgemachten Führer verbinden Informationen zu Autoren und Dichtern mit Reproduktionen von alten Pharus-Stadtplänen und geben so einen wundervollen Überblick über die Literaten-Szene vergangener Tage.

Aber auch neuere Trends waren zu bewundern. Im Manga-Bereich der Messe konnte ich zum ersten Mal die Fans des Cosplay hautnah bewundern. Dieses Hobby ist erst in den letzten Jahren von Japan zu uns herüber geschwappt. Vornehmlich Jugendliche kostümieren sich dabei wie ihre Lieblings Anime- und Manga-Helden und nehmen jede Gelegenheit war, sich gegenseitig in ihren aufwändigen Kostümen zu fotografieren. Was sich vielleicht etwas merkwürdig anhört, scheint den Beteiligten aber großen Spaß zu machen und ich muss schon zugeben, dass es ein interessanter Anblick ist, Horden von Schwertkämpfern und Mädels in Gruftie-Lack-Hausmädchenkostümen zu sehen.

Apropos interessante Anblicke. Fräulein B. und ich haben uns natürlich auch das Rahmenprogramm in Leipzig zu Gemüte geführt. Das absolute Highlight hierbei war „Love bites“, eine erotische Nacht, die vom Konkurs Verlag veranstaltet wurde. Nach einem Sektempfang wurde das Publikum in den Saal des Passage Kinos eingelassen und dort mit einer Mischung von Tanz, Musik, Beamershow und Literaturlesung beglückt. Neben einigen eher ungewollt komischen Nummern, gab es aber auch ein paar wirklich prickelnde Momente. Die Tänzerin Nina von der Kleinen Nachtrevue war eindeutig der visuelle Höhepunkt des Abends, ihre Show konnte sich leicht mit den großen Nacktrevueen der Goldenen Zwanziger messen. Bei den Lesungen stach Bridge Markland mit ihrem gewagten Transgender-Spiel und anregenden Einblicken in einen Dark Room hervor, ebenso wie Claudia Wessel, die uns mit ihren Schilderungen, warum man von den Seitensprüngen seines Mannes auch profitieren kann, die Tränen in die Augen trieb – vor Lachen. Meine persönliche Saure Zitrone geht aber mit herzlichem Glückwunsch an das anwesende Publikum. Den Großteil des Abends waren wir umgeben von Menschen, die mit regungslos aufgeschlossener Mine dem Lustspiel folgten und sich offensichtlich nicht trauten richtig Spaß zu haben – man goutierte ja schließlich Kunst und musste schon mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit an die Angelegenheit herangehen. Fräulein B. und ich hatten jedenfalls Spaß – auch wenn wir meist die Einzigen waren, die herzhaft lachten...

Abschließend nochmals meinen aufrichtigen Dank an meine charmante Begleitung – ohne Dich wäre es nicht mal halb so lustig geworden!


Von Leipziger Buc...

Mittwoch, März 14, 2007

Under the Bridge

Viel hat sich getan – so viel, dass ich schon länger nicht mehr dazu gekommen bin, diesen Blog auf den aktuellen Stand zu bringen. Also, ein Update, wie wir modernen Neudeutschen so gerne sagen.

Mein Lehrgang in Online-Journalismus neigt sich dem Ende zu. Seit etwa einer halben Stunde bin ich frisch gebackenes Neumitglied bei Ver.di, genauer gesagt der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di. Meine beruflichen Aussichten sind auch nicht so schlecht. Letzte Woche haben wir eine Pressekonferenz für ConAction, Münchner Streetworker, die sich um suchtgefährdete und wohnungslose Jugendliche kümmern, organisiert. Das Presseecho hat unsere Erwartungen absolut übertroffen. Alle großen Tageszeitungen (außer der BILD) und vier Radiostationen haben große Beiträge gebracht, AZ und SZ haben sogar am Wochenende noch mal nachgelegt. Besonders erfreulich ist, dass wir uns gegen die Konkurrenz eines in München sehr wichtigen Ereignisses durchgesetzt haben – den Starkbieranstich am Nockherberg. Es scheint so, als hätten wir den Nerv getroffen.

Die Pressekampagne hat auch für mich neue Einsichten gebracht. In früheren Jahren hat man oft Punks und Obdachlose an den bekannten Plätzen in München gesehen, doch in letzter Zeit hat man davon kaum noch etwas mitbekommen. Es konnte leicht der Eindruck entstehen, dass es diese Probleme nicht mehr gibt. Im reichen München leben doch keine Jugendlichen auf der Straße, oder?

Weit gefehlt.

Im Vorfeld der PK hatte ich Gelegenheit mit einem betroffenen Jugendlichen ein Interview zu führen, das auch in unsere Pressemappe Eingang gefunden hat. Er hatte eine Menge zu erzählen von Alkohol, Drogen, Schnorren und dem Schlafen in Parks oder über Warmluftröhren im Englischen Garten. Wäre seine Geschichte ein Einzelfall, so wäre sie nicht weniger bedauerlich, aber sie würde sich nicht als echtes Problem im Gesamtzusammenhang darstellen. Die Zahlen von ConAction sprechen eine andere Sprache. Im letzten Jahr hatten die Streetworker Kontakt zu 439 Jugendlichen auf der Straße. Wie viele davon obdachlos sind, kann man nur schätzen – sicher weiß man es von etwa 40, die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit höher.

Was treibt diese jungen Menschen auf die Straße? Romantische Vorstellungen vom abenteuerlichen Leben in Freiheit mit Sicherheit genauso wenig wie grundlose Nullbock-Haltung. Hinter jedem Schicksal steckt eine individuelle Leidensgeschichte. Massiver Ärger mit trinkenden und prügelnden Eltern, überzogener Leistungsdruck, mangelndes Selbstvertrauen, sexueller Missbrauch – die Liste ist schier endlos. Wen wundert es, wenn diese Jugendlichen zur Flasche und zum Joint greifen, um für ein paar Stunden ihr Leben zu vergessen?

Mich nicht.