Dienstag, März 27, 2007

Bücher und Begierde: die wesentlichen Dinge des Lebens


"Das Pergament, ist das der heil'ge Bronnen,
Woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?
Erquickung hast du nicht gewonnen,
Wenn sie dir nicht aus eigner Seele quillt."
Johann Wolfgang von Goethe, Faust


Wenn man mal wieder in Leipzig war, dann muss man natürlich auch den guten, alten Faust zitieren, oder? Mit dem liebreizenden Fräulein B. an meiner Seite, hatte ich das Vergnügen die vier Tage der diesjährigen Leipziger Buchmesse mitnehmen zu dürfen. Im Gegenzug zu Frankfurt geht es auf der Leipziger Buchmesse etwas ruhiger und familiärer zu. Gerade am Wochenende strömen viele Besucher in die Messehallen, die keine beruflichen Gründe, sondern die reine Lust am Lesen auf die Veranstaltung führen. Zu Sehen, Hören und Riechen gab es auch dementsprechend viel. Gerade die kleineren Verlage, deren Bücher gerne mal übersehen werden, haben es mir angetan. Meine besondere Empfehlung in diesem Jahr: die Literarischen Reiseführer des Verlags „Jena 1800“. Die schön aufgemachten Führer verbinden Informationen zu Autoren und Dichtern mit Reproduktionen von alten Pharus-Stadtplänen und geben so einen wundervollen Überblick über die Literaten-Szene vergangener Tage.

Aber auch neuere Trends waren zu bewundern. Im Manga-Bereich der Messe konnte ich zum ersten Mal die Fans des Cosplay hautnah bewundern. Dieses Hobby ist erst in den letzten Jahren von Japan zu uns herüber geschwappt. Vornehmlich Jugendliche kostümieren sich dabei wie ihre Lieblings Anime- und Manga-Helden und nehmen jede Gelegenheit war, sich gegenseitig in ihren aufwändigen Kostümen zu fotografieren. Was sich vielleicht etwas merkwürdig anhört, scheint den Beteiligten aber großen Spaß zu machen und ich muss schon zugeben, dass es ein interessanter Anblick ist, Horden von Schwertkämpfern und Mädels in Gruftie-Lack-Hausmädchenkostümen zu sehen.

Apropos interessante Anblicke. Fräulein B. und ich haben uns natürlich auch das Rahmenprogramm in Leipzig zu Gemüte geführt. Das absolute Highlight hierbei war „Love bites“, eine erotische Nacht, die vom Konkurs Verlag veranstaltet wurde. Nach einem Sektempfang wurde das Publikum in den Saal des Passage Kinos eingelassen und dort mit einer Mischung von Tanz, Musik, Beamershow und Literaturlesung beglückt. Neben einigen eher ungewollt komischen Nummern, gab es aber auch ein paar wirklich prickelnde Momente. Die Tänzerin Nina von der Kleinen Nachtrevue war eindeutig der visuelle Höhepunkt des Abends, ihre Show konnte sich leicht mit den großen Nacktrevueen der Goldenen Zwanziger messen. Bei den Lesungen stach Bridge Markland mit ihrem gewagten Transgender-Spiel und anregenden Einblicken in einen Dark Room hervor, ebenso wie Claudia Wessel, die uns mit ihren Schilderungen, warum man von den Seitensprüngen seines Mannes auch profitieren kann, die Tränen in die Augen trieb – vor Lachen. Meine persönliche Saure Zitrone geht aber mit herzlichem Glückwunsch an das anwesende Publikum. Den Großteil des Abends waren wir umgeben von Menschen, die mit regungslos aufgeschlossener Mine dem Lustspiel folgten und sich offensichtlich nicht trauten richtig Spaß zu haben – man goutierte ja schließlich Kunst und musste schon mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit an die Angelegenheit herangehen. Fräulein B. und ich hatten jedenfalls Spaß – auch wenn wir meist die Einzigen waren, die herzhaft lachten...

Abschließend nochmals meinen aufrichtigen Dank an meine charmante Begleitung – ohne Dich wäre es nicht mal halb so lustig geworden!


Von Leipziger Buc...

Mittwoch, März 14, 2007

Under the Bridge

Viel hat sich getan – so viel, dass ich schon länger nicht mehr dazu gekommen bin, diesen Blog auf den aktuellen Stand zu bringen. Also, ein Update, wie wir modernen Neudeutschen so gerne sagen.

Mein Lehrgang in Online-Journalismus neigt sich dem Ende zu. Seit etwa einer halben Stunde bin ich frisch gebackenes Neumitglied bei Ver.di, genauer gesagt der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di. Meine beruflichen Aussichten sind auch nicht so schlecht. Letzte Woche haben wir eine Pressekonferenz für ConAction, Münchner Streetworker, die sich um suchtgefährdete und wohnungslose Jugendliche kümmern, organisiert. Das Presseecho hat unsere Erwartungen absolut übertroffen. Alle großen Tageszeitungen (außer der BILD) und vier Radiostationen haben große Beiträge gebracht, AZ und SZ haben sogar am Wochenende noch mal nachgelegt. Besonders erfreulich ist, dass wir uns gegen die Konkurrenz eines in München sehr wichtigen Ereignisses durchgesetzt haben – den Starkbieranstich am Nockherberg. Es scheint so, als hätten wir den Nerv getroffen.

Die Pressekampagne hat auch für mich neue Einsichten gebracht. In früheren Jahren hat man oft Punks und Obdachlose an den bekannten Plätzen in München gesehen, doch in letzter Zeit hat man davon kaum noch etwas mitbekommen. Es konnte leicht der Eindruck entstehen, dass es diese Probleme nicht mehr gibt. Im reichen München leben doch keine Jugendlichen auf der Straße, oder?

Weit gefehlt.

Im Vorfeld der PK hatte ich Gelegenheit mit einem betroffenen Jugendlichen ein Interview zu führen, das auch in unsere Pressemappe Eingang gefunden hat. Er hatte eine Menge zu erzählen von Alkohol, Drogen, Schnorren und dem Schlafen in Parks oder über Warmluftröhren im Englischen Garten. Wäre seine Geschichte ein Einzelfall, so wäre sie nicht weniger bedauerlich, aber sie würde sich nicht als echtes Problem im Gesamtzusammenhang darstellen. Die Zahlen von ConAction sprechen eine andere Sprache. Im letzten Jahr hatten die Streetworker Kontakt zu 439 Jugendlichen auf der Straße. Wie viele davon obdachlos sind, kann man nur schätzen – sicher weiß man es von etwa 40, die Dunkelziffer liegt mit Sicherheit höher.

Was treibt diese jungen Menschen auf die Straße? Romantische Vorstellungen vom abenteuerlichen Leben in Freiheit mit Sicherheit genauso wenig wie grundlose Nullbock-Haltung. Hinter jedem Schicksal steckt eine individuelle Leidensgeschichte. Massiver Ärger mit trinkenden und prügelnden Eltern, überzogener Leistungsdruck, mangelndes Selbstvertrauen, sexueller Missbrauch – die Liste ist schier endlos. Wen wundert es, wenn diese Jugendlichen zur Flasche und zum Joint greifen, um für ein paar Stunden ihr Leben zu vergessen?

Mich nicht.

Montag, Februar 05, 2007

Reduktion


Ich habe vor kurzem wieder mit etwas angefangen, was ich seit 14 Jahren nicht mehr getan habe. Früher habe ich oft gezeichnet und gemalt, aber über Studium und Arbeit hinweg fiel die Leidenschaft dem Alltag zum Opfer und so kam es, dass ich ewig nicht mehr zum Bleistift gegriffen habe. Schreiben , Recherchieren und Redigieren sind zwar Tätigkeiten, die mir Spaß machen, aber es fehlt ihnen eine wichtige Komponente – die Arbeit mit den Händen. Das Herumhacken auf einer Tastatur benötigt zwar den Einsatz der Hände, aber die immer gleichen Bewegungsabläufe ermüden ohne zu fordern und am Ende des Tages, wenn ich den Rechner herunter fahre, frage ich mich oft, was ich eigentlich den ganzen Tag über gemacht habe.

Langer Rede kurzer Sinn: letzte Woche ging ich in einen Schreibwarenladen und erwarb einen Skizzenblock und eine größere Anzahl von Bleistiften verschiedener Härtegrade. Meine anfänglichen Bemühungen, die Welt um mich herum in Grafit abzubilden, waren alles andere als ermutigend. Der Perfektionist in mir schrie kontinuierlich, dass alles Mist sei und ließ auch nicht das Argument gelten, dass ich mich seit der Schulzeit nicht mehr hinter einen Zeichenblock geklemmt hatte und folglich aus der Übung war. Ein anderer Teil von mir erwies sich aber als stärker als mein innerer Kritiker. Die bereits erwähnten Hände fanden großen Gefallen daran, mal wieder etwas zu tun zu haben. Natürlich konnte ich, trotz mangelnder Übung, nicht mit einfachen Formen und Objekten anfangen – es mussten schon Porträts sein. Gesichter zu zeichnen fiel mir schon damals schwer, im Besonderen stand ich schon immer mit Nasen auf Kriegsfuß.

Was ist eigentlich an den allseits vorhandenen Gesichtserkern so schwierig? Jeder hat einen, den eigenen hat man ständig vor den Augen, eigentlich sollte dieses Körperteil leicht zu zeichnen sein. Für den Ausdruck sind die Augen und die Lippen sehr wichtig, die Nase hat eigentlich bei der Mimik nicht viel zu tun. Wie wichtig sie aber für den Gesamtausdruck des Gesichtes ist, stellt man erst fest, wenn einem jedes Porträt misslingt, weil der abgebildete Riechkolben eher zu einem Elefanten passt oder hervorragend jeden Kartoffelsalat abrunden würde. Wie zu erwarten war, hatte sich mein Nasenproblem über die Jahre hinweg nicht in Luft aufgelöst. Voller Tatendrang machte ich mich an mein erstes Porträt seit dem Abitur und erstaunlicherweise übertraf das vorläufige Ergebnis meine eher geringen Erwartungen. Kinn, Augen, Wangen, Haare – alles gar nicht so schlecht. Bis ich mich gezwungen sah, den weißen Fleck in der Bildmitte füllen zu müssen.

Schnell löste sich die Zuversicht in den altbekannten Frust auf. Nach einer halben Stunde Zeichnen, Radieren, Zeichnen und wieder Radieren, war ich kurz davor, den Block in die Ecke zu schmeißen und mir stattdessen endlich Photoshop auch für Zuhause zu kaufen. Dann jedoch, kam mir ein Gedanke, der mir auch schon beim Schreiben oft geholfen hat.

„Das Entscheidende bei der Darstellung einer Person ist die Reduktion auf ihre besonderen Merkmale.“

Okay. Schauen wir mal, ob das vielleicht hilft. Ein paar Umrisslinien und mehrere Schattierungen später betrachtete ich das Ergebnis erneut und musste zugeben, dass ich schon schlechtere Nasen gesehen hatte. Es war zwar mehr eine angedeutete, als eine bis ins kleinste Detail gezeichnete Nase, aber so schlecht war sie gar nicht gelungen. So recht wollte ich dem Frieden noch nicht trauen. Ich machte mich gleich an ein weiteres Porträt und begann zum ersten mal in meinem Leben mit der Nase. Siehe da, jetzt ging zwar der Rest des Gesichts etwas in die Hose, die Nase aber war ein prächtiger Charakterzinken, der selbst Julius Cäsar gut gestanden hätte. So viel zu den besonderen Merkmalen...

Mittlerweile scheine ich mein Nasentrauma bewältigt zu haben. Meine Zeichnungen sind noch lange nicht so gut, wie ich sie haben möchte, aber ich werde besser und mit jeder neuen Skizze entdecke ich Techniken und Strichführungen wieder, die ich vor vielen Jahren schon einmal beherrscht habe. Auch wenn die technische Ausführung meiner Zeichnungen noch zu wünschen lässt, bin ich dennoch mit den Ergebnissen weitaus mehr zufrieden als noch zu Schulzeiten. Zum einen macht es meinen Händen große Freude wieder anzupacken, zum anderen fällt es mir leichter, die besonderen Merkmale der Menschen zu erkennen und herauszuarbeiten. Und auf die kommt es schließlich an.

Sonntag, Februar 04, 2007

Wintergedanken

Nein, ich bin noch nicht tot umgefallen. Die letzte Zeit war nur etwas stressig, da wir derzeit in unserem zweiten Projekt stecken – der Vorbereitung einer Pressekonferenz für Münchner Streetworker. Das nass-kalte Schmuddelwetter dieses „Winters“ fordert ebenfalls seinen Tribut. Die zweite Erkältung in diesem Jahr beglückt mich mit Triefnase, Brummschädel und Halsschmerzen. Leider ist mir im Moment nicht nach tief schürfenden Gedanken – ich bin schon ganz froh, wenn normale Gedanken den Weg durch meine Gehirnwindungen finden.

Ich vermisse die Winter meiner Kindheit. Klirrende Kälte, tiefer Schnee und das wohlige Aufatmen, wenn man von Draußen wieder in die Wärme kommt. Die eisige Luft, die deine Nasenflügel beim Einatmen hat zusammen kleben lassen, heiße Maroni auf die Hand und dann noch einen Glühwein hinterher. Schaue ich jetzt aus meinem Fenster, so sehe ich Blumen blühen und die Büsche knospen – am 4. Februar! Eine verrückte Welt.

Als Kind war ich im Winter die meiste Zeit draußen, habe Schneemänner gebaut und mir mit den anderen Nachbarskindern harte Schneeballschlachten geliefert. Was machen die Kinder von heute – Schlammcatchen?!? Ich weiß es nicht. „Früher war Alles besser!“ ist ein Satz, der mir nur selten über die Lippen kommt. Was aber diesen Winter angeht, so benutze ich ihn gerne: früher waren die Winter besser!

Was tut sich sonst noch?

Das Ende meiner Weiterbildung zum Online-Journalisten kommt unaufhaltsam näher. In gut zwei Monaten werde ich mein Zertifikat in Händen halten und mich wieder voll auf dem Arbeitsmarkt tummeln. Mitte der Woche hatte ich mein Bewerbungscoaching und musste mir endgültig eingestehen, dass ich ab April den Weg in die Selbstständigkeit wagen werde. Irgendwie muss ich mir wohl beweisen, dass ich es ganz auf eigene Faust packen kann. Als was, das wird sich noch erweisen. Momentan plane ich eine gemischte Tätigkeit im journalistischen Bereich und im Webdesign – außerdem muss ich einfach meinen ersten Roman schreiben. Ich bin schon sehr gespannt, ob es mir ähnlich gehen wird, wie zigtausend anderen hoffnungsvollen Jungautoren, die absolut von ihrem literarischen Schaffen überzeugt sind – leider aber das Pech haben, dass sie die Einzigen sind, die ihr literarisches Genie erkannt haben. Immerhin habe ich schon ein paar Veröffentlichungen zu Wege gebracht und habe eine Vorstellung davon, wie schwer es ist, seine eigenen Texte an den Mann zu bringen. Was soll's – auch Goethe, Schiller und Shakespeare haben mal klein angefangen. ;-)

Mein Gefühlsleben ähnelt ebenfalls dem vorherrschenden Wetter – irgendwo zwischen Winterkälte und Frühlingserwachen trudelt mein Innenleben durch die Gegend und fragt sich, wo es hin soll. Sechs ruhige Jahre als halbwegs glücklicher Single liegen hinter mir. Im Moment bin ich ein Single, der nicht recht weiß, ob er glücklich oder unglücklich ist. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass die ruhigen Jahre sich für's Erste eine Auszeit genommen haben...

Dienstag, Januar 16, 2007

Wenn Ihr wüsstet, dass dies Euer letzter Tag auf Erden wäre, wie würdet Ihr ihn verbringen?


Am wichtigsten wäre mir, den Tag mit einem sehr besonderen Menschen zu teilen. Ich würde lange schlafen, dann ein reichliches Frühstück zu mir nehmen – Toast, Roast Beef, Rührei & Speck, Kaffee. Ein ausgiebiges Bad zu Zweit mit einem guten Glas Wein, dann ein langer Spaziergang an Orte, die mir wichtig waren – die Orte meiner Kindheit, an denen ich glücklich war, auch wenn viele von ihnen heute zugebaut und verschwunden sind. Von den glücklichen Momenten erzählen und mit den schlechten endlich Schluss machen – die Vergangenheit ist tot und begraben, nur die Gegenwart zählt. Ein Mittagessen mit meiner Familie, nichts Spektakuläres, eher wie jeden Tag – vielleicht Schinkennudeln. Ein kurzer Abschied ohne Tränen, ich würde nichts davon sagen, dass dies mein letzter Tag ist.

Nach dem Essen würde ich von ein paar Dingen Abschied nehmen, die mir wichtig sind – vor Allem meine Bücher – dann würde ich etwas letztes Schreiben, ein Gedicht oder eine Kurzgeschichte, und im Anschluss den späteren Nachmittag in einem Café mit meinen Freunden verbringen. Mit viel Milchkaffee und zu vielen Zigaretten würde ich noch einmal mit ihnen Lachen und über die vielen Kleinigkeiten und auch die wichtigen Dinge reden, die mich mit ihnen verbinden und die uns am Herzen liegen. Mein letzter Tag wäre nicht in Ordnung, wenn ich sie nicht noch einmal sehen würde – es gibt Weniges, was mir so wichtig ist, wie meine Freunde.

Der Abend aber, wäre eine Sache für Zwei. Zuerst ein schönes Abendessen kochen, Pasta oder Filet, und dann ein romantisches Candlelight-Dinner. Dann noch einen guten Whiskey und kalten Cider und den Abend gemeinsam auf der Couch verbringen. In ihren Armen einschlafen im Wissen, dass der Tag nicht verloren war.


Zugegeben, es ist eine merkwürdige Sache, sich diesen letzten Tag auszumalen. Ich bin froh, dass es keinerlei Anzeichen gibt, dass mein letzter Tag bald kommen wird. Aber dieses Gedankenspiel ist trotzdem nicht müßig. Es zeigt, was im Leben wichtig ist. Freunde und geliebte Menschen. Die Erinnerung daran, woher wir kommen und was uns geprägt hat, ohne jedoch in der Vergangenheit verhaftet zu bleiben – wir leben nur hier und jetzt, genau in diesem Augenblick. Lachen und Freude. Dinge und Erlebnisse, die uns zusammenschweißen. Gemeinsam Essen und Trinken. Literatur und Poesie – die Gedanken und Gefühle, die bleiben, wenn wir schon lange nicht mehr sind. Familie. Eine Umarmung, ein Lächeln, ein Kuss. Liebe.

Wie würdet Ihr Euren letzten Tag verbringen?

Donnerstag, Januar 11, 2007

Literatur und Journalismus


„Der Unterschied zwischen Literatur und Journalismus besteht darin, dass der Journalismus unlesbar ist und die Literatur nicht gelesen wird.“

- Oscar Wilde


Hmmm, soll ich mich wirklich daran wagen, die Worte des großen Meisters zu kommentieren? Nach kurzer Überlegung komme ich zu dem Schluss: ja, sicher, denn wie sagte Wilde selbst: „Allem kann ich widerstehen, nur der Versuchung nicht.“ Also, legen wir mal los!

Ich habe nun schon ein wenig Erfahrung im journalistischen Schreiben und aus der jüngeren Vergangenheit auch im literarischen. Für mich liegt der Hauptunterschied in den Regeln, die für die jeweilige Gattung gelten. Das journalistische Schreiben ist noch stärker handwerklich geprägt, als das das literarische. Im Vordergrund steht das Bemühen, den Inhalt des Textes so allgemein verständlich zu präsentieren, dass jeder Leser ihm folgen kann. Der vermutete Rezipient wird am unteren Ende der Wissens- und Verständnisskala angesetzt, alles soll ihm erklärt werden und man darf ihn ja nicht durch Fremdworte und komplexere Satzstrukturen verschrecken. Es scheint, als wäre der durchschnittliche Leser ein sehr scheues Tier, das leicht durch Syntax und Semantik aus der Bahn zu werfen ist. Sätze sollen kurz, aktiv und knackig (mein persönliches Unwort des Jahres) sein, am Besten reine Hauptsätze, nur im Ausnahmefall mag ein Nebensatz mal in Ordnung gehen. Die Passiv-konstruktion ist dem Journalisten so verhasst wie dem Teufel das Weihwasser, um gleich in diesem Satz noch eine weitere Kardinalsünde zu begehen – das Verwenden von Wortschablonen. Nun geben wir noch dem überflüssigen Adjektiv den Todesstoß und richten unseren Text- und Informationsfluss am Prinzip der umgekehrten Pyramide aus, und schon haben wir den perfekten journalistischen Text, oder?

Ganz so leicht ist es leider nicht. Mag ich mich auch beizeiten an den strengen Regeln des Journalismus stören, so muss ich doch zugeben, dass sie ihre Berechtigung haben für Texte, deren Gebrauchsnutzen das verständliche Weitergeben von Information ist. Wer sich schon einmal über einer schlechten Gebrauchsanweisung für ein elektrisches Gerät schwarz geärgert hat, weiß es bestimmt gleich zu schätzen, wenn ein Text klar strukturiert und schlicht gehalten ist. Neben die handwerkliche Kunst in der Formulierung tritt aber mindestens genauso wichtig die Beschaffung und Verifizierung der zu transportierenden Information – gemeinhin auch als Recherche bekannt. Ziel hierbei sollte es sein, möglichst korrekte und allgemein gültige Fakten über ein Ereignis oder die Zusammenhänge, in denen es steht, in Erfahrung zu bringen. Aus der Synthese von Recherche und Darstellung entsteht nun ein Beitrag, der den Leser informiert, ihm Dinge nahe bringt, die er entweder noch nicht wusste oder nicht in vollem Umfang erfassen konnte. Ziel des Beitrags ist es also, dem Leser vom Nutzen zu sein. Wir erweitern also unsere Definition des durchschnittlichen Lesers: er ist ein sehr scheues Tier, das leicht durch Syntax und Semantik aus der Bahn zu werfen ist, aber den starken Drang hat, sich zu informieren und komplexe Zusammenhänge zu erfassen, die ihm zuvor noch nicht bekannt oder schlüssig waren.

Nun fehlt uns nur noch ein weiterer wichtiger Aspekt des journalistischen Schreibens – die Objektivität. Beim Erstellen eines Beitrages soll der Verfasser in den Hintergrund treten, seine eigene Meinung möglichst vergessen, und dem Leser die ungeschminkte, unverfälschte Wahrheit präsentieren. Ich ignoriere hier im Augenblick mit Absicht die meinungsgeprägten journalistischen Darstellungsformen, wie den Kommentar oder die Glosse, und verzichte ebenso auf eine Definition des Begriffes „Wahrheit“ - beides würde den Rahmen dieses Blogbeitrages eindeutig sprengen. Die erklärte Absicht des Journalisten ist es also, die Vorgänge, über die er berichtet, möglichst objektiv und allgemeingültig zu präsentieren, um dem Leser die Möglichkeit zu geben, sich selbst eine Meinung zu bilden und sich nicht vom Informierenden manipulieren zu lassen. Wir schließen wiederum invers auf den Leser und erweitern erneut unsere Definition: er ist ein sehr scheues Tier, das leicht durch Syntax und Semantik aus der Bahn zu werfen ist, aber den starken Drang hat, sich zu informieren und komplexe Zusammenhänge zu erfassen, die ihm zuvor noch nicht bekannt oder schlüssig waren, und zugleich jede Form der Manipulation ablehnt, die auf seine Meinungsbildung Einfluss zu nehmen sucht.

Betrachten wir nun schlicht, subjektorientiert und objektiv die Definition unseres durchschnittlichen Lesers, so kommen wir kaum umhin zuzugeben, dass er deutlich anspruchsvoller und komplexer ist, als wir zunächst angenommen haben. Ein journalistischer Beitrag, der alle diese Kriterien erfüllt, ist also doch nicht so leicht zu schreiben und läuft, gemäß Oscar Wilde, Gefahr, unlesbar zu werden. Es könnte also leicht passieren, dass der Text umfassend und meinungsfrei informiert, dabei aber leider den Reiz verliert, mit Vergnügen gelesen zu werden.

Schlagen wir nun den Bogen zur Literatur und vergleichen ihr Entstehen direkt mit dem journalistischen Schreiben. Meiner eigenen chaotisch-strukturierten Natur entsprechend, möchte ich gleich das Pferd von hinten aufzäumen und bei der Objektivität beginnen. Der literarisch Schreibende transportiert seine eigenen Eindrücke und Gedanken in seinen Texten und schert sich herzlich wenig um Allgemeingültigkeit. Er legt es geradezu darauf an, den Leser hinters Licht zu führen und ihm immer nur genug Information zu geben, damit er die angestrebte Reaktion zeigt. Sei es der Krimiautor, der nur gut versteckte Hinweise ausstreut und falsche Fährten legt, bis sein Protagonist im letzten Kapitel den Fall löst, oder auch der Autor des Liebesromans, der die Handlung nur aus der Sicht eines der Liebenden schildert und so durch diese gefärbte Brille eine vorinterpretierte Sicht der Welt als einzige zulässt. Gerade diese Beschränkung auf die Sichtweise und Erfahrungswelt des Autors ist es, die es interessant macht, sein Werk zu lesen, und die den Leser für ein paar Stunden aus seinem Alltag abholt und in eine andere, meist interessantere Welt entführt.

Die Recherche sollte der Autor dabei genauso wenig vernächlässigen wie der Journalist. Der Autor arbeitet immer mit einem Abbild der Welt, egal ob er fiktiv oder historisch schreibt. Dabei muss er sich bemühen die Realität seiner Fiktion möglichst dicht und täuschend echt zu gestalten, damit der Leser nicht durch kleine, falsch recherchierte Details aus der Bahn geworfen wird. Stößt sich beispielsweise der Leser eines historischen Romans daran, dass die Protagonisten im Deutschland des 13. Jahrhunderts eine Kartoffelspeise verzehren, so wird er generell misstrauisch gegen die anderen, essentiellen Elemente der Handlung eingestellt sein. Die fiktive Realität ist gebrochen und entlarvt, der Leser nicht mehr von der Handlung gefesselt, sondern in einem Metadenken verfangen, dass ihn ständig überprüfen lässt, ob noch weitere Fehler im Dargestellten zu finden sind ... wenn er nicht einfach enttäuscht das Buch in die Ecke pfeffert.

Kommen wir nun zur sprachlichen Gestaltung des literarischen Schreibens. Erfreulicherweise ist diese so vielfältig, dass noch viele Generationen von Literaturwissenschaftlern sich an ihr vergehen können. Verallgemeinernd lässt sich zu ihr nur sagen, dass die sprachliche Gestaltung dem Genre und dem Zweck des Textes angemessen sein sollte. Sie muss ihre Wirkung beim Leser entfalten, ihn verführen, sich auf die Handlung einzulassen und zu ignorieren, dass er gerade im Zug oder auf seinem Sofa sitzt und sich nicht wirklich am fiktiven Ort der Handlung befindet. Sie bringt nicht die entscheidenden Punkte zuerst, ist nicht schlicht und allgemein verständlich, setzt stattdessen auf jeden Kunstgriff, der beim Leser, statt dem Intellekt, die Gefühle anspricht. Daraus ergibt sich auch, dass der durchschnittliche Leser literarischer Erzeugnisse nicht ganz so einfach zu definieren ist. Er kann jeder sein, der sich auf den Text einlässt und bereit ist, sich von ihm entführen zu lassen. Hierin liegt auch die Schwierigkeit, die passende Literatur an den geeigneten Leser zu bringen, die leider oft genug zu Oscar Wildes Aussage führt, dass „die Literatur nicht gelesen wird.“

Langsam wird es wohl Zeit für ein Fazit dieses langgezogenen Textes, den Du, geneigter Leser, bis hierher verfolgt hast. Soll das Fazit sein, dass Literatur höher steht als Journalismus, edler und schwerer zu schreiben? Mitnichten! Die zwei Gattungen sind eher wie Äpfel und Birnen – süß und wohlschmeckend, wenn sie reif sind – aber letztendlich kaum miteinander zu vergleichen. Sie haben unterschiedliche Zielrichtungen und Absichten, und sie sind beide für sich wichtig und wertvoll. Die eine nährt unseren Kopf, die andere unseren Bauch – und wirklich gute Exemplare bewerkstelligen beides. Schlechte Exemplare nähren nur die Würmer und verursachen Bauchschmerzen. Für mich hat beides seinen Reiz, aber ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mich beidem widmen möchte – schließlich habe ich einen großen Kopf und einen großen Bauch!

Ich hoffe sehr, dass Oscar Wilde mir posthum diesen kleinen Exkurs verzeihen möge und nicht mit diesen Worten über ihn urteilen würde: „Gesegnet seien jene, die nichts zu sagen haben und den Mund halten.“

Mittwoch, Januar 10, 2007

Halbzeit

Keine Sorge, ich bin nicht über Nacht zum Fußballfan mutiert. Vielmehr hatten wir Anfang der Woche offiziell Halbzeit in meiner Weiterbildung zum Online-Journalisten. Letzte Woche haben wir unser „Journal Digital“ fertig gestellt, eine Zeitschrift, in der Beiträge zum Oberthema „Leben und Sterben in München“ zusammengefasst sind. Die Beiträge wurden von den Teilnehmern meines Kurses verfasst und sind durch die Bank interessant und lesenswert.

Was hat sich sonst noch getan? Wir sind jetzt ein Vierteljahr zusammen und haben uns intensiver kennen gelernt. Mein persönliches Fazit: ich fühle mich sauwohl im meinem Kurs. Es ist eine echte Freude mit diesem Häufchen kreativer Individuen zusammen zu arbeiten und gemeinsam zu lernen. Die Charaktere könnten kaum unterschiedlicher sein und gerade diese Mischung macht viel vom Reiz der Gruppe aus. Natürlich bleibt es auch nicht aus, dass man sich mal in die Wolle gerät, wenn man 14 Menschen mit starken Persönlichkeiten und eigenem Kopf in einen Raum steckt und sie gemeinsam an Projekte im Medienbereich setzt. Im großen und ganzen waren die letzten drei Monate aber harmonischer und vergnüglicher als ich mir im Vorfeld erhofft hatte.

An dieser Stelle möchte ich meinen KurskollegInnen sowohl meine Hochachtung, als auch meinen Dank aussprechen für eine wunderbare Zeit, die wir miteinander verbracht haben. Ich bin sehr froh darüber, euch kennen gelernt zu haben, und freue mich sehr darauf, die nächsten drei Monate mit euch zu verbringen. Auch wenn manche von euch beizeiten etwas anstrengend sind ... aber das bin ich wohl auch – gelegentlich...

:-)